Im Laufe einer Psychotherapie kann es dazu kommen, dass der Patient Gefühle, Hoffnungen und Enttäuschungen, die
er gegenüber einer Person (z.B. einem Elternteil) empfindet, auf den Therapeuten überträgt.
Da aber auch der Therapeut kein unbeschriebenes Blatt ist und seinerseits Erfahrungen in zwischenmenschlichen
Beziehungen gemacht hat, die z.T. heilsam und z.T. schädlich waren, kann es passieren, dass er auf solche Übertragungen ebenso emotional reagiert wie der Patient. Diesen Vorgang nennt man Gegenübertragung.
Gary Small schreibt in seinem Buch “Als ich die nackte Dame im Kopfstand fand - Ein Psychiater erzählt“:
„Eine Übertragung, dozierte er, gehöre zu den wichtigsten Aspekten der einsichtsorientierten Psychotherapie. Der Patient übertrage dabei Gefühle, die er einem Elternteil oder einer Bezugsperson entgegenbrachte, auf den Psychotherapeuten. Psychotherapeuten, die neutral und vorurteilslos agieren, also ihre eigenen Probleme und Gefühlsreaktionen in den Sitzungen unterdrücken, ermöglichen dem Patienten, ihm Reaktionen zuzuschreiben. Wenn die Zeit reif ist, wird der Therapeut die Realität der Beziehung formulieren, was dem Patienten die Möglichkeit gibt, Einsicht in die Verzerrungen seiner eigenen Wahrnehmung zu gewinnen und zu erkennen, was das für die Beziehungen in seinem Leben bedeutet. Mithilfe des Therapeuten kann der Patient seine eigenen Verhaltensmuster durchschauen, zurechtrücken und überwinden.“