“Anomische Depression ist ein Sinnvakuum (nach Frankl), symptomhaft charakterisiert als dysphorischer Zustand existenzieller Frustration mit überwältigenden Gefühlen der Entmutigung, Erniedrigung und Selbstentwertung, im Zusammenhang mit kulturellem Orientierungs- und Identitätsverlust. Anomische Depressionist oft maskiert durch somatisierte Beschwerden oder durch aggressives Ausagieren unter Alkoholeinfluss. An anomischer Depression leiden heißt, zu leiden an einem Leben das in seiner soziokulturellen Dimension als inhaltsleer empfunden wird.“
(Wolfgang und Lusie Jilek)
„Drei »V« bereiten den Boden für »anomische« (Frankl: »noogene«), aber auch für reaktive Depressionen: Vakatwucherung, Vergötzung und Verlust an Urvertrauen. […]
Der Begriff »Vakatwucherung« bezeichnet das bereits erkäuterte Hineinwuchern seelischer Krankheiten in ein Sinn- und Wertevakuum. […] Es wurde plötzich ein »Loch« ins LEben gerissen, eine Verwirklichungschance aus dem Machbaren entfernt, die persönliche Freiheit um ein spürbares Stück beschnitten. Die Unwiederbringlichkeit des Verlorenen erzeugt jenes Vakuum, in das eine reaktive Depression hineinwuchern kann.
»Vergötzung« ist der Fachausdruck für das Wirrwarr an Einseitigkeit, Fixierung, Fanatisierung, Reduzierung, Isolierung und Symbiotik, das ungesund überzogene Strebungen kennzeichnet. Man setzt auf das eine, man braucht das eine, man klammert an dem einen, man erträgt das ELben nicht ohne das eine, man ist abhängig von dem einen.
»Verlust an Urvertrauen« ist schließlich der Name des »V«s mit dme stärksten Tiefgang. Da im Irdischen alles verlierbar ist, gibt es nur eine metaphysische Geborgenheit oder gar keine. Der darin geborgene Mensch ist nie allein. Dafür fühlt sich der nicht darin geborgene Mensch auf eine infernalische Weise allein. […] Jede Zurückweisung, die er erfährt, ruft ihm glühenden Schmerzes seine Verlassenheit in Erinnerung. Jeder Misserfolg, den er erntet, drückt ihn noch traumatischer in die Verlassenheit hinein.“
(Elisabeth Lukas in Der Schlüssel zu einem sinnvollen Leben - Die Höhenpsychologie Viktor E. Frankls)